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Der Zweck eines Streitgesprächs ist die Veränderung der Wahrheit.
Prinzip der Bene Gesserit
Während all seiner Schandtaten hatte Baron Wladimir Harkonnen nie zuvor einen derartigen Abscheu vor jemandem empfunden.
Wie konnte die Bene-Gesserit-Hexe mir so etwas antun!
An einem trüben Morgen auf Giedi Primus betrat er den Fitnessraum seiner Burg, verschloss die Türen und hinterließ den Befehl, nicht gestört zu werden. Da er aufgrund seiner Körperfülle nicht mehr in der Lage war, Gewichte zu heben oder Kraftübungen an den Maschinen zu machen, setzte er sich auf eine Fußbodenmatte und versuchte, einfach nur die Beine zu heben. Einst war er die Vollendung der männlichen Gestalt gewesen – und jetzt konnte er kaum noch ein Bein vom Boden stemmen. Er ekelte sich vor sich selbst.
Seit zwei Monaten, seit er Dr. Yuehs Diagnose vernommen hatte, sehnte er sich danach, Mohiam die inneren Organe einzeln herauszureißen. Und während er sie mit medizinischen Apparaten am Leben und bei Bewusstsein hielt, würde er anschließend interessante Dinge tun, denen sie zuschauen musste ... ihre Leber verbrennen, sie zwingen, ihre Milz zu essen, sie mit ihren eigenen Gedärmen strangulieren.
Jetzt verstand er den Grund für Mohiams selbstgefällige Miene beim Bankett in Fenrings Residenz.
Sie hat es mir angetan!
Er betrachtete sich in einem hohen Spiegel und schrak zurück. Sein Gesicht war aufgequollen und hässlich wie ein Schwurm. Er hob die schweren Arme und riss den Plazspiegel von der Wand, um ihn zu Boden zu schleudern. Das unzerbrechliche Material verbog sich lediglich, sodass sein Spiegelbild noch unförmiger wurde.
Er konnte sich durchaus vorstellen, dass Mohiam ihm die Vergewaltigung übel nahm. Aber die Hexe hatte ihn zuvor erpresst, damit er überhaupt den Geschlechtsakt vollzog. Sie hatte verlangt, dass er eine Harkonnen-Tochter für die verdammenswerte Schwesternschaft zeugte. Und sogar zweimal! Das war nicht fair. Er war das Opfer.
Der Baron kochte und schäumte vor Wut. Er durfte nicht zulassen, dass auch nur einer seiner Rivalen im Landsraad von der wahren Ursache seiner Krankheit erfuhr. Diese feine Differenzierung machte den Unterschied zwischen Stärke und Schwäche aus. Wenn sie weiterhin daran glaubten, er wäre durch seine Exzesse, seine Völlerei, die Feiern seiner triumphalen Erfolge verfettet und korpulent geworden, blieb seine Macht gesichert. Wenn sie jedoch erfuhren, dass er von einer Frau, die ihn zum Sex gezwungen hatte, mit einer widerwärtigen Krankheit infiziert worden war ... Diese Vorstellung war für den Baron unerträglich.
Ja, Mohiams Schreie wären eine genussvolle Genugtuung, aber nicht mehr als ein Appetithäppchen – und für einen Mann seiner Statur viel zu wenig. Sie war nur ein Wurmfortsatz des gesamten widerwärtigen Bene-Gesserit-Ordens. Die Hexen hielten sich für überlegen, glaubten, nach Belieben mit jedem umspringen zu können – sogar mit dem Oberhaupt des Hauses Harkonnen. Sie mussten bestraft werden, um den Stolz seiner Familie, seine Macht und seinen Status im Landsraad bewahren zu können.
Außerdem würde es ihm Spaß machen.
Aber wenn er überstürzt handelte, würde er niemals von ihnen erfahren, wie die Krankheit zu heilen war. Der Suk-Arzt hatte behauptet, es gäbe keine bekannte Therapie, dass alles nur in den Händen der Bene Gesserit lag. Die Schwesternschaft hatte den Baron mit diesem Gebrechen geschlagen, und nur sie konnte seinen einstmals schönen Körper wiederherstellen.
Verdammte Hexen!
Er musste den Spieß umdrehen, sich in ihre teuflische Gedankenwelt versetzen und in Erfahrung bringen, was dort lauerte. Er würde nach einem Weg suchen, sie zu erpressen. Er würde ihnen die schwarzen Beerdigungsgewänder vom Leib reißen (bildlich gesprochen, verstand sich) und sie zwingen, sich nackt seinem Urteil auszuliefern.
Er schleuderte den verbogenen Spiegel über den gefliesten Boden, wo er krachend gegen eine Trainingsmaschine stieß. Ohne seinen Gehstock verlor er das Gleichgewicht und fiel wieder auf die Matte zurück.
Es war unerträglich ...
Nachdem er sich einigermaßen gefasst hatte, humpelte der Baron in sein vollgestopftes Arbeitszimmer und rief Piter de Vries. Seine Stimme dröhnte hallend durch die Korridore, und Diener eilten umher und suchten nach dem Mentaten.
De Vries hatte einen ganzen Monat gebraucht, um sich von seiner Gewürzüberdosis zu erholen. Der Dummkopf behauptete, er hätte in einer Vision den Niedergang des Hauses Harkonnen gesehen, aber er hatte keine nützlichen Informationen beisteuern können, die es dem Baron ermöglicht hätten, Vorkehrungen gegen eine solche ungünstige Entwicklung zu treffen.
Jetzt konnte der Mentat sein Versagen wieder gutmachen, indem er einen Schlag gegen die Bene Gesserit vorbereitete. Jedes Mal, wenn de Vries die Geduld des Barons überstrapazierte und er kurz vor der Exekution stand, gelang es ihm irgendwie, erneut seine Unentbehrlichkeit unter Beweis zu stellen.
Wie kann ich den Hexen wehtun? Wie kann ich sie verkrüppeln, ihnen unsägliche Qualen bereiten?
Während er wartete, blickte der Baron aus einem Fenster der Burg auf Harko City, das nur aus ölverschmierten Gebäuden und kaum einem grünen Baum bestand. Normalerweise gefiel ihm dieser Anblick, aber nun machte er ihn noch niedergeschlagener. Er biss die Zähne zusammen und spürte, wie die Tränen seines Selbstmitleids versiegten.
Ich werde die Schwesternschaft zerschmettern!
Diese Frauen waren keineswegs dumm. Ganz und gar nicht. Mit ihren Zuchtprogrammen und politischen Intrigen hatten sie für eine beständige Steigerung der Intelligenz ihrer Mitglieder gesorgt. Aus dem gleichen Grund hatten sie seine herausragenden Harkonnen-Gene für ihren Orden benötigt. Wie sehr er sie hasste!
Er brauchte einen geschickten Plan ... er musste sehr vorsichtig mit List und Täuschung zu Werke gehen ...
»Mein Baron«, sagte Piter de Vries, als er lautlos eintraf. Seine Stimme entstieg seiner Kehle wie eine Viper, die sich aus ihrem Versteck schlängelt.
Aus dem Korridor hörte der Baron lautes Geschrei und metallisches Scheppern. Etwas stieß polternd gegen eine Wand, und Mobiliar ging zu Bruch. Er wandte sich vom Fenster ab und sah, wie sein kräftig gebauter Neffe hinter dem Mentaten in den Raum trat. Selbst unter normalen Umständen bewegte er sich stets mit stampfenden Schritten. »Ich bin da, Onkel.«
»Das ist nicht zu übersehen. Jetzt geh wieder. Ich habe Piter gerufen, nicht dich.« Die meiste Zeit verbrachte Rabban auf Arrakis, wo er die Wünsche des Barons ausführte, doch immer wenn er sich auf Giedi Primus aufhielt, wollte er an jedem Treffen und jeder Besprechung teilnehmen.
Der Baron holte tief Luft und dachte noch einmal nach. »Andererseits könntest du genauso gut hierbleiben, Rabban. Ich muss dich ohnehin über etwas informieren.« Schließlich war der Tölpel der mutmaßliche Erbe und die beste Hoffnung für die Zukunft des Hauses Harkonnen. Zumindest war er fähiger als sein viel zu weicher Vater Abulurd. Wie unterschiedlich die beiden waren ... obwohl beide gravierende Mängel hatten.
Sein Neffe lächelte wie ein mitleidheischender Welpe – glücklich, dabei sein zu dürfen. »Worüber informieren, Onkel?«
»Dass ich deine Exekution veranlassen werde.«
Rabbans blassblaue Augen trübten sich für einen Moment, doch dann heiterte sich seine Miene wieder auf. »Nein, das wirst du nicht tun.«
»Wie kannst du dir so sicher sein?« Der Baron betrachtete ihn mit finsterem Gesichtsausdruck, während die Augen des Mentaten zwischen beiden Gesprächspartnern hin und her huschten.
»Ganz einfach«, erwiderte Rabban ohne zu zögern. »Weil du mich nicht vorwarnen würdest, wenn du mich wirklich töten wolltest.«
Ein Lächeln stahl sich auf das wabbelige Gesicht des Barons. »Vielleicht bist du doch kein völliger Trottel.«
Rabban nahm das Kompliment zufrieden an und ließ sich in einen Formsessel sinken, der sich an seine Körpergestalt anpasste. De Vries blieb stehen, wartete ab und beobachtete.
Der Baron berichtete von seinen neuen Erkenntnissen, von der Krankheit, mit der Mohiam ihn infiziert hatte – und seinen Wunsch nach Rache an den Bene Gesserit. »Wir müssen einen Weg finden, es ihnen heimzuzahlen. Ich brauche einen Plan, einen köstlichen Plan, der ... die Gerechtigkeit wiederherstellt.«
De Vries' weichliche Gesichtszüge waren erschlafft, und seine Augen blickten ins Leere. Im Mentatenmodus durchsuchte er seinen Geist mit Hochgeschwindigkeit nach Lösungsansätzen. Seine Zunge fuhr über die rot gefleckten Lippen.
Rabban schlug mit der Ferse gegen den Sessel, damit er eine andere Form annahm. »Warum führen wir keinen militärischen Angriff auf Wallach IX durch? Wir könnten jedes Gebäude auf dem Planeten zerstören.«
De Vries zuckte zusammen, und für einen Sekundenbruchteil schien er Rabban anzustarren, aber es geschah so schnell, dass sich der Baron gar nicht sicher war, ob es tatsächlich geschehen war. Es tat ihm in der Seele weh, wenn er sich vorstellte, wie die primitiven Gedanken seines Neffen die hochkomplizierten Denkprozesse seines kostbaren Mentaten störten.
»Wie ein salusanischer Stier auf einer Dinnerparty, meinst du?«, erwiderte der Baron. »Nein, wir müssen mit mehr Finesse vorgehen. Schlag den Begriff in der Bibliothek nach, falls er dir unbekannt ist.«
Rabban reagierte keineswegs beleidigt, sondern beugte sich vor und kniff die Augen zusammen. »Wir ... haben immer noch das Nicht-Schiff.«
Verblüfft wandte sich der Baron ihm zu. Eben noch hatte er gedacht, dass der Idiot sogar für eine Karriere in der Hauswache zu dumm war, und nun überraschte Rabban ihn mit einer außergewöhnlichen Idee.
Bisher hatten sie es nur ein einziges Mal gewagt, das unsichtbare Raumschiff einzusetzen, um zwei Tleilaxu-Schiffe zu zerstören und die Schuld dem jungen Herzog Atreides in die Schuhe zu schieben. Da Rabban den exzentrischen richesischen Erfinder getötet hatte, war es ihnen nicht mehr möglich, diese Technik nachzubauen. Trotzdem verfügten sie mit dem Nicht-Schiff über eine Waffe, von deren Existenz niemand etwas ahnte, nicht einmal die Hexen.
»Vielleicht ... falls Piter keine andere Idee hat.«
»Die habe ich, Baron.« De Vries' Lider flatterten, dann konzentrierte sich sein Blick. »Zusammenfassung«, sagte er. Seine Sprechweise war gestelzter als sonst. »Ich habe ein nützliches Schlupfloch in den Gesetzen des Imperiums gefunden. Das faszinierende Aussichten eröffnet, Baron.« Wie ein Rechtsexperte zitierte er die Stelle Wort für Wort, dann legte er seinen Plan dar.
Für einen Moment wichen alle körperliche Schmerzen des Barons der Euphorie. Er wandte sich an seinen Neffen. »Erkennst du jetzt sein Potenzial? Ich möchte lieber wegen meiner Finesse als roher Gewalt berüchtigt sein.«
Widerstrebend nickte Rabban. »Ich finde trotzdem, dass wir das Nicht-Schiff nehmen sollten. Nur für alle Fälle.« Er selbst war der Pilot des unsichtbaren Schiffs gewesen und hatte den Angriff durchgeführt, der einen Krieg zwischen den Atreides und den Tleilaxu anzetteln sollte.
Der Baron stimmte ihm zu, da er nicht wollte, dass der Mentat zu selbstgefällig wurde. »Es kann nie schaden, einen Alternativplan zu haben.«
* * *
Die Vorbereitungen konnten rasch abgeschlossen werden. Hauptmann Kryubi bestand darauf, dass seine Männer die Anweisungen von Piter de Vries buchstabengetreu befolgten. Rabban marschierte wie ein großer Heerführer durch die Hangars und Kasernen und sorgte dafür, dass die Anspannung der Truppen nicht nachließ.
Die Passage durch die Gilde war bereits angefordert worden, während eine Harkonnen-Fregatte ausgeschlachtet und mit einem größeren Kontingent an Männern und Waffen als unter normalen Umständen beladen wurde. Auch das ultrageheime Schiff war dabei, das erst ein einziges Mal vor mehr als einem Jahrzehnt zum Einsatz gekommen war.
In militärischer Hinsicht war die Unsichtbarkeitstechnik ein potenzieller Vorteil, wie er in der aufgezeichneten Geschichte beispiellos war. Theoretisch hatten die Harkonnens dadurch die Möglichkeit, ihren Feinden schwere Schläge zu versetzen, ohne jemals in Verdacht zu geraten. Man konnte sich vage vorstellen, wie viel Graf Moritani von Grumman für einen solchen technischen Vorteil bezahlt hätte.
Das Nicht-Schiff hatte sich auf seiner Jungfernfahrt ausgezeichnet bewährt, doch dann war es zu Verzögerungen in der Planung gekommen, weil die Techniker verschiedene Macken reparieren mussten, die später aufgetreten waren. Einige der Probleme waren geringfügig, doch andere – vor allem mit dem eigentlichen Nicht-Feld-Generator – erwiesen sich als äußerst hartnäckig. Und da der richesische Erfinder nicht mehr am Leben war, konnten sie aus dieser Richtung keine Hilfe erwarten. Trotzdem hatte das Schiff während der letzten Testflüge gut funktioniert, obwohl die Techniker vorsichtig gewarnt hatten, dass es möglicherweise nicht völlig kampftauglich war ...
Der saumseligste der Frachtarbeiter musste langsam in einer Dampfpresse zerquetscht werden, um seine Kollegen hinreichend zu motivieren, auf keinen Fall den gesetzten Termin zu überziehen. Der Baron hatte es eilig.
* * *
Die voll beladene Fregatte ging über Wallach IX in den geostationären Orbit, genau über dem Komplex der Mütterschule. Der Baron, der sich mit Piter de Vries und Glossu Rabban auf der Brücke aufhielt, hatte befohlen, keinen Kontakt mit dem Hauptquartier der Bene Gesserit aufzunehmen. Dazu bestand auch keine Notwendigkeit.
»Bitte nennen Sie den Grund Ihres Hierseins«, verlangte eine weibliche Stimme ohne Freundlichkeit über einen Kommunikationskanal. War ein leicht überraschter Unterton herauszuhören?
Jetzt durfte de Vries antworten. »Seine Exzellenz, der Baron Wladimir Harkonnen von Giedi Primus, wünscht, auf einem abhörsicheren Kanal mit der Mutter Oberin zu sprechen.«
»Unmöglich. Einen solchen Wunsch hätten Sie vorher anmelden müssen.«
Der Baron beugte sich vor und sprach mit donnernder Stimme in das Kom-System. »Ich gebe Ihnen fünf Minuten, um eine sichere Verbindung mit Ihrer Mutter Oberin einzurichten. Andernfalls werde ich mein Anliegen über einen öffentlichen Kanal bekannt geben. Und das könnte ... peinlich werden.«
Diesmal gab es eine längere Pause. Kurz vor Ablauf der Frist drang eine andere, krächzendere Stimme aus dem Lautsprecher. »Ich bin Mutter Oberin Harishka. Ich spreche über meinen privaten Kom-Kanal.«
»Fein. Dann hören Sie gut zu.« Der Baron lächelte.
De Vries trug die Angelegenheit vor. »Die Artikel der Großen Konvention äußern sich bezüglich gewisser Verbrechen sehr eindeutig, Mutter Oberin. Diese Gesetze traten unmittelbar nach dem Ende der Schreckensherrschaft der Maschinen in Kraft. Ein Verbot bezieht sich auf den Einsatz von Atomwaffen gegen Menschen. Ein anderes auf die Kriegsführung mit biologischen Mitteln.«
»Ja, das ist mir bekannt. Ich bin kein Militärhistoriker, aber ich kann jemanden kommen lassen, der Ihnen den exakten Wortlaut vorträgt, wenn Sie möchten. Hat sich Ihr Mentat unzureichend über solche juristische Details informiert, Baron? Ich verstehe nicht, was das alles mit den Bene Gesserit zu tun hat. Möchten Sie mir vielleicht noch eine weitere Gutenachtgeschichte erzählen?«
Ihr Sarkasmus konnte nur bedeuten, dass sie nervös geworden war. »›Die Formen müssen gewahrt bleiben‹«, zitierte der Baron. »Die Strafe für eine Verletzung dieser Gesetze ist die unverzügliche Vernichtung der Täter durch den Landsraad. Jedes Haus hat geschworen, einen Beitrag zur unüberwindlichen Gesamtstreitmacht zu liefern, die gegen den Schuldigen mobilisiert wird.« Er hielt kurz inne, dann wurden seine Worte drohender. »Die Formen wurden nicht gewahrt, stimmt's, Mutter Oberin?«
Piter de Vries und Rabban blickten sich grinsend an.
Der Baron fuhr fort. »Das Haus Harkonnen ist bereit, eine offizielle Beschwerde an den Imperator und den Landsraad zu schicken und die Bene Gesserit des illegalen Einsatzes biologischer Waffen gegen ein Großes Haus anzuklagen.«
»Sie reden Unsinn. Die Bene Gesserit setzen keine militärischen Mittel ein.« Sie klang aufrichtig verblüfft. War es möglich, dass sie wirklich keine Ahnung hatte?
»Hören Sie gut zu, Mutter Oberin. Wir haben unwiderlegbare Beweise, dass Ihre Ehrwürdige Mutter Gaius Helen Mohiam meine Person zum Angriffsziel eines Krankheitserregers machte, während ich einen Gefallen erfüllte, den die Schwesternschaft von mir verlangt hatte. Fragen Sie die Hexe, falls Ihre Untergebenen Ihnen derartige Fakten vorenthalten.«
Der Baron erwähnte nicht, dass die Schwesternschaft ihn mit Informationen über seine illegalen Gewürzlager erpresst hatte. Doch er war vorbereitet, falls dieser Punkt erneut zur Sprache kommen sollte. Seine Melangevorräte waren längst in abgelegene Regionen entfernter Harkonnen-Welten geschafft worden, wo man sie nie finden würde.
Zufrieden lehnte sich der Baron zurück und lauschte der Totenstille. Er stellte sich den Ausdruck des Entsetzens auf dem Gesicht der Mutter Oberin vor. Dann stieß er das Messer noch tiefer in die Wunde. »Falls Sie unsere Interpretation anzweifeln, schlagen Sie noch einmal den genauen Wortlaut der Großen Konvention nach und überlegen Sie, ob Sie eine offene Verhandlung vor dem Landsraad riskieren möchten. Denken Sie auch daran, dass das Werkzeug Ihres Angriffs – die Ehrwürdige Mutter Mohiam – mit einem Gildeschiff zu mir gebracht wurde. Wenn die Gilde davon erfährt, wird sie nicht gerade begeistert sein.« Er trommelte mit den Fingern auf einer Konsole. »Selbst wenn Ihre Schwesternschaft nicht vollständig ausgelöscht wird, werden Sie unter schweren Sanktionen durch das Imperium zu leiden haben. Vielleicht schickt man Sie sogar in die Verbannung.«
Endlich antwortete Harishka, aber ihre Stimme konnte kaum verbergen, wie sehr die Drohung sie erschüttert hatte. »Sie übertreiben das Ausmaß des Falles, Baron, aber ich will offen mit Ihnen darüber reden. Was verlangen Sie von uns?«
Er spürte mit Genugtuung, wie sie sich in seinem Griff wand. »Ich werde mit einem Shuttle landen und mich mit Ihnen treffen. Schicken Sie uns einen Piloten, der uns durch ihr planetares Verteidigungssystem schleust.« Er erwähnte nicht, dass er veranlasst hatte, die Anklage samt der Beweise an Kaitain zu übermitteln, falls ihm während dieser Reise etwas zustoßen sollte. Das musste der Mutter Oberin klar sein.
»Gewiss, Baron, aber Sie werden schon bald feststellen, dass alles nur ein furchtbares Missverständnis ist.«
»Sorgen Sie nur dafür, dass Mohiam ebenfalls anwesend ist. Und bereiten Sie alles vor, mich durch eine wirksame Therapie von der Krankheit zu befreien – wenn Sie möchten, dass Sie und Ihre Schwesternschaft dieses Debakel heil überstehen.«
Die uralte Mutter Oberin ließ sich nicht beeindrucken. »Wie groß ist Ihr Gefolge?«
»Sag ihr, dass wir mit einer kompletten Armee kommen«, flüsterte Rabban seinem Onkel zu.
Der Baron stieß ihn weg. »Ich und sechs weitere Männer.«
»Ihr Antrag auf ein Gespräch ist genehmigt.«
Als der Kanal geschlossen war, fragte Rabban: »Kann ich mitkommen, Onkel?«
»Weißt du noch, was ich dir über das Thema Finesse gesagt habe?«
»Ich habe die Definition des Wortes nachgeschlagen, wie du befohlen hast.«
»Dann bleib hier und denk noch eine Weile darüber nach, während ich mit der Hexenmutter rede.«
Wütend stapfte Rabban davon.
Eine Stunde später dockte ein Leichter der Bene Gesserit an der Harkonnen-Fregatte an. Eine junge Frau mit schmalem Gesicht und welligem rotbraunem Haar stieg aus. Sie trug eine glänzende schwarze Uniform. »Ich bin Schwester Cristane. Ich werde Sie sicher zur Planetenoberfläche führen.« Ihre Augen funkelten. »Die Mutter Oberin erwartet Sie bereits.«
Der Baron setzte sich zusammen mit sechs handverlesenen bewaffneten Männern in Bewegung. Piter de Vries sprach so leise, dass die Hexe ihn nicht verstehen konnte. »Unterschätzen Sie niemals die Bene Gesserit, mein Baron.«
»Keine Sorge, Piter«, knurrte der Baron. »Jetzt haben wir sie im Griff.« Dann ging er weiter und bestieg den Leichter.